Wandel bei Konsumverhalten und Marktstruktur im EMEA Raum
Dentsu veröffentlicht eine neue Ausgabe des EMEA Consumer Navigator Reports für 2025. Er gibt einen Einblick, wie Verbraucher in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien auf die immer stärker werdenden wirtschaftlichen Herausforderungen reagieren und damit beginnen ihre Einkaufsgewohnheiten danach auszurichten.
Der Report beleuchtet zwei Themenbereiche – Mindset und Retail & Commerce –, die jeweils in separate Berichte gegliedert sind. Beide verdeutlichen einen spürbaren Wandel im Verbraucherbewusstsein: Menschen treffen überlegtere finanzielle Entscheidungen und reflektieren intensiver über ihre Interaktionen mit Marken und Produkten.
Die Highlights des Mindset-Berichts
- Ein vorsichtiges, aber gezieltes Konsumverhalten hat die gesamte EMEA-Region erfasst – eine Folge der anhaltenden wirtschaftlichen Entwicklung. Trotz eines insgesamt niedrigen Vertrauens in die wirtschaftliche Lage, insbesondere in Frankreich und Großbritannien, geben die meisten Verbraucher in der EMEA-Region an, ihren Alltag gut bewältigen zu können. 64 Prozent der Verbraucher sagen, dass sie bewusster konsumieren: Sie priorisieren Grundbedürfnisse, verschieben größere Anschaffungen und nutzen verstärkt Rabatte sowie Treueprogramme.
- Urlaubsreisen stehen ganz oben auf der Liste größerer Ausgaben in den nächsten drei Monaten – insbesondere bei Boomern und spanischen Konsumenten.
- Generationsunterschiede: Während Boomer zu Vorsicht und Kontrolle neigen, bleiben Gen Z und Millennials optimistisch und bleiben offen für neue Marken. Emotionale Faktoren wie Klarheit, Vertrauen und Kontrolle gewinnen zunehmend an Bedeutung bei der Markenwahl und Kaufentscheidung.
- Marken sollten Empathie und Handlungsfähigkeit in Einklang bringen, indem sie den Verbrauchern Klarheit, Kontrolle und emotionale Sicherheit bieten. Wertigkeit bleibt entscheidend, aber die Art und Weise, wie sie vermittelt wird, ist wichtiger denn je: Vertrauen, Transparenz und Relevanz bestimmen, welche Marken in unsicheren Zeiten bestehen.
Konsumverhalten in Deutschland: Zwischen Vorsicht und gezielter Entscheidung
In Deutschland zeigt sich ein eher pessimistischer Blick auf die wirtschaftliche Lage: 72 Prozent der Verbraucher bewerten die europäische Wirtschaft als „nicht gut“ oder „schlecht“. Auch die Zukunftsaussichten sind verhalten – 40 Prozent erwarten eine weitere Verschlechterung in den kommenden sechs bis zwölf Monaten, während nur 28 Prozent auf eine Verbesserung hoffen.
Trotz dieser Skepsis bleibt die persönliche finanzielle Lage für viele stabil. 58 Prozent der Deutschen konnten ihre notwendigen Ausgaben in den letzten 30 Tagen decken, und 59 Prozent erwarten keine Veränderung ihrer finanziellen Situation in naher Zukunft. Dennoch rechnet knapp ein Viertel (22 Prozent) mit einer Verschlechterung.
Diese Unsicherheit spiegelt sich auch im Konsumverhalten wider: 42 Prozent der Verbraucher haben ihre Ausgaben im vergangenen Jahr reduziert. Dabei zeigt sich eine klare Verlagerung hin zu alltäglichen Produkten wie Lebensmitteln, während größere Anschaffungen – etwa Haushaltsgeräte oder Urlaube – zurückgestellt werden.
Beim Kaufverhalten differenzieren die Verbraucher zunehmend nach Kategorie und Kanal. Für Tech-Produkte (28 Prozent) und Finanzdienstleistungen (23 Prozent) wird bevorzugt online eingekauft, während der stationäre Handel bei Retail-Produkten mit 56 Prozent weiterhin stark bleibt. Social Media gewinnt ebenfalls an Bedeutung: 19 Prozent kaufen Retail-Produkte direkt über soziale Plattformen – doppelt so viele wie in anderen Kategorien.
Über alle Produktbereiche hinweg ist „Value for Money“ das wichtigste Kaufkriterium: 37 Prozent bei Tech, 52 Prozent bei Retail und 32 Prozent bei Travel. Weitere relevante Faktoren sind Markenvertrauen, Benutzerfreundlichkeit und Loyalitätsprogramme.
Trotz der wirtschaftlichen Zurückhaltung zeigen sich in bestimmten Kategorien Wachstumspotenziale: 30 Prozent der Deutschen planen, in den nächsten drei Monaten eine Reise zu buchen. Auch Mode (31 Prozent) und Beauty-Produkte (28 Prozent) stehen auf der Ausgabenliste.
Implikationen für Marken in Deutschland
- Wertorientierung betonen
Marken müssen den Nutzen ihrer Produkte klar und nachvollziehbar kommunizieren – das Preis-Leistungs-Verhältnis ist für Verbraucher entscheidend.
- Kanalstrategie differenzieren
Online-Kanäle eignen sich besonders für komplexe Käufe wie Tech und Finanzprodukte, während der stationäre Handel bei greifbaren Produkten weiterhin bevorzugt wird.
- Emotionale Kategorien nutzen
Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit bieten emotionale Produktbereiche wie Reisen, Beauty und Mode Chancen für Wachstum und Markenbindung.
Die Highlights aus dem Retail & Commerce Report:
- Der Report beleuchtet die Veränderungen im Einzelhandel und zeigt, wie Konsumenten ihre Erwartungen hinsichtlich Produktwertigkeit, Komfort und Markenbindung neu ausrichten. Besonders deutlich wird dies am Aufstieg von Plattformen wie Shein und Temu, die inzwischen bei der breiten Masse angekommen sind: In Spanien kaufen 45 Prozent und in Frankreich 33 Prozent der Verbraucher mindestens einmal im Monat dort ein.
- Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Produktsuche - 55 Prozent der Verbraucher nutzen sie bevorzugt, um neue Angebote zu finden. Gleichzeitig zeigt sich eine gewisse Überforderung: 52 Prozent fühlen sich - insbesondere in Frankreich - von der Flut an Werbung gestresst.
- Personalisierte Angebote und Kundenbindungsprogramme stoßen grundsätzlich auf positive Resonanz. Dennoch wünschen sich viele Verbraucher einfachere und sinnvollere Vorteile, vor allem im stationären Handel, wo das Einkaufserlebnis häufig hinter dem digitalen Angebot zurückbleibt.
- Preisaktionen bleiben ein starker Kaufanreiz, doch für eine langfristige Markenbindung sind gemeinsame Werte und Transparenz entscheidend - insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. In einer sich wandelnden Retail-Landschaft reicht der Preis allein nicht mehr aus. Händler sind gefordert, ihre Strategien für Kundenbindung und Personalisierung anzupassen - mit dem Ziel, den Verbraucher in den Mittelpunkt zu stellen und Erlebnisse zu schaffen, die bedeutsam, hilfreich und werteorientiert sind.
Deutschland: Zentrale Erkenntnisse Retail & Commerce
Das Einkaufsverhalten deutscher Konsumenten zeigt eine differenzierte Haltung gegenüber digitalen Kanälen und personalisierten Angeboten. Während soziale Medien zunehmend zur Produktinspiration genutzt werden, empfinden 33 Prozent der Deutschen die Werbung auf diesen Plattformen als übermäßig. Zum Vergleich, in Frankreich liegt dieser Wert sogar bei 41 Prozent. Beim tatsächlichen Einkauf über Social Media bleibt Deutschland mit 14 Prozent wöchentlicher Nutzung im Mittelfeld.
Die Wahrnehmung von Einkaufserlebnissen unterscheidet sich deutlich zwischen Online und stationärem Handel: 79 Prozent der deutschen Verbraucher empfinden Online-Shopping als personalisiert, während nur 54 Prozent dies über den Einkauf im Geschäft sagen würden.
Im Bereich Personalisierung und Datenschutz zeigt sich eine zurückhaltende Haltung. Zwar wünschen sich 26 Prozent der Verbraucher in der EMEA-Region mehr personalisierte Angebote, in Deutschland sind es hingegen nur 16 Prozent. Technologien wie Gesichtserkennung stoßen auf Skepsis - 48 Prozent lehnen personalisierte Kommunikation über diese Methode ab. Auch die persönliche Ansprache beim Online-Shopping wird kritisch gesehen: 33 Prozent möchten nicht mit ihrem Namen angesprochen werden.
Fast-Commerce-Plattformen wie Shein und Temu spielen in Deutschland eine vergleichsweise geringe Rolle: Nur 21 Prozent nutzen sie monatlich - der niedrigste Wert im EMEA-Vergleich. Zwar schätzen deutsche Konsumenten günstige Preise, legen aber ebenso Wert auf Qualität und Bequemlichkeit. Interessanterweise priorisieren 22 Prozent trendige Produkte gegenüber langlebigen, ein höherer Wert als in anderen Märkten.
Beim grenzüberschreitenden Einkauf macht sich ebenfalls Zurückhaltung breit: Nur 14 Prozent der Deutschen kaufen monatlich bei Marken außerhalb Europas ohne lokale Präsenz, und lediglich 16 Prozent bei europäischen Marken ohne Präsenz in Deutschland - die niedrigste Quote im Vergleich.
Auch bei Retail-Mitgliedschaften und Loyalitätsprogrammen ist Deutschland zurückhaltender: Nur 16 Prozent der deutschen Verbraucher haben drei bis fünf Mitgliedschaften, während es in Großbritannien 31 Prozent sind. Die Erwartungen sind klar: kostenlose Lieferung (53 Prozent), Rabatte (44 Prozent) und einfache Nutzung stehen im Vordergrund. Zwar sehen 37 Prozent Verbesserungen bei der Benutzerfreundlichkeit solcher Programme, doch nur 26 Prozent erkennen Fortschritte beim Preis-Leistungs-Verhältnis.
Implikationen für Marken in Deutschland
- Weniger, aber relevantere Werbung
Die Ad-Frequenz auf sozialen Plattformen sollte reduziert werden. Statt auf Masse zu setzen, gilt es, gezielte Inhalte mit echtem Mehrwert zu bieten – etwa durch Rabatte, persönliche Empfehlungen oder inspirierende Produktgeschichten.
- Personalisierung ohne Überwachung
Deutsche Konsumenten bevorzugen diskrete Formen der Personalisierung. Loyalty-Karten und kontextbezogene Angebote sind willkommen, während invasive Technologien wie Gesichtserkennung oder direkte Namensansprache auf Ablehnung stoßen.
- Fast Commerce neu denken
Der reine Preisfokus reicht nicht aus. Marken müssen Fast-Commerce-Angebote mit Qualität, Komfort und emotionaler Ansprache verbinden, um langfristige Kundenbindung zu erreichen - besonders in einem Markt, der Wert auf Nachhaltigkeit und Substanz legt.
- Loyalty-Programme vereinfachen
Nutzerfreundlichkeit ist entscheidend: Mobile-optimierte Anwendungen, transparente Vorteile und eine regionale Anpassung der Inhalte und Angebote erhöhen die Akzeptanz und Nutzung von Treueprogrammen.
- Grenzüberschreitende Angebote stärken
Vertrauen ist der Schlüssel für internationalen Handel. Klare Rückgaberegeln, schnelle Lieferoptionen und lokalisierte Kommunikation helfen, Barrieren abzubauen und die Kaufbereitschaft bei ausländischen Marken zu erhöhen.

„In der gesamten EMEA-Region beobachten wir das Entstehen eines neuen Verbrauchertyps: finanziell umsichtig, aber emotional stark involviert. Der Begriff Wert wird neu definiert - es geht längst nicht mehr nur um den niedrigsten Preis, sondern um Klarheit, Einfachheit, Relevanz und gemeinsame Werte. Von der Budgetplanung im Alltag bis hin zur Interaktion handeln Konsumenten heute selektiver, bewusster und anspruchsvoller als je zuvor. Marken, die emotionale Bindung mit praktischer Unterstützung verbinden, Entscheidungen erleichtern, transparent kommunizieren und echten Mehrwert bieten, werden sich abheben und langfristig relevant bleiben“, kommentiert Lara Jelinski, dentsu Chief Growth Officer Central Europe & CEO Media Switzerland.

„Die Konsumentenstimmung in Deutschland ist von Unsicherheit geprägt: 72 Prozent der Verbraucher bewerten die europäische Wirtschaft negativ, und 40 Prozent erwarten eine weitere Verschlechterung in den kommenden Monaten. Trotz dieser Skepsis zeigt sich die persönliche Finanzlage stabil. So geben 58 Prozent an, ihre Ausgaben aktuell decken zu können. Das Konsumverhalten spiegelt die Unsicherheit wider: 42 Prozent haben ihre Ausgaben reduziert und priorisieren alltägliche Produkte. Größere Anschaffungen werden zurückgestellt, während digitale Kanäle und Social Media beim Einkauf an Bedeutung gewinnen. „Value for Money“ bleibt das wichtigste Kaufkriterium - gefolgt von Markenvertrauen und Benutzerfreundlichkeit. Trotz Zurückhaltung bieten insbesondere die Bereiche Reisen, Mode und Beauty Wachstumspotenzial. Marken, die konsequent auf Vertrauen, Mehrwert und digitale Nähe setzen, können selbst in diesem schwierigsten Umfeld neue Chancen eröffnen und Wachstum antreiben”, kommentiert Robin Jansen, Chief Client Officer Media, dentsu in Deutschland & DACH.
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